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Nachricht vom 05.05.2017    

Wölferlinger „Liebesglocke“ läutet seit 550 Jahren

Wer sich auf den Turm der Wölferlinger Kirche wagt, braucht eine gesunde Portion Courage. Auf dem Weg nach oben muss man sich zwei Leitern hochkämpfen, deren Stabilität eher überschaubar ist. Vielleicht ist es gerade dieser halsbrecherische Zugang, der der ältesten der drei Wölferlinger Glocken das Leben gerettet hat. Denn während ihre beiden tiefer hängenden Geschwister in den vergangenen Jahrhunderten mehrfach ausgetauscht wurden, läutet die betagte Dame immer noch. Und das seit inzwischen 550 Jahren.

Seit 550 Jahren schlägt die kleine Glocke der Wölferlinger Kirche. Eine echte Überlebenskünstlerin, die - im Gegensatz zu ihren beiden Geschwistern - nicht eingeschmolzen wurde. Vielleicht liegt das am äußerst engen und unzugänglichen Kirchturm des Wölferlinger Gotteshauses, in den sich Kirchenvorsteher Joachim Wintrich (Foto) beherzt emporgeschwungen hat. Foto: Peter Bongard

Wölferlingen. Seit ihrem Guss im Jahr 1467 hat die Glocke viel erlebt und sich im Laufe der Jahrhunderte als Überlebenskünstlerin erwiesen, wie die Kirchenvorsteher Udo Rufa und Joachim Wintrich lächelnd sagen. „Sie hat viele andere Glocken kommen und gehen sehen: eine 1540 gegossene, die während des Sturmläutens im Mai 1831 zersprang; deren Nachfolgerin, die 1869 zersprang; deren Nachfolgerin hat’s wiederum 1911 erwischt und die, die danach kamen, wurden während der Weltkriege eingeschmolzen“, zählt Rufa auf. Nur die älteste blieb verschont. Seit 1950 hat sie zwei Geschwister, die bisher klaglos ihren Dienst verrichten – freilich erst seit rund 67 statt seit 550 Jahren.

Vielleicht ist die Unzugänglichkeit ja nicht der einzige Grund, dass die alte Glocke seit einem halben Jahrtausend durchhält. Vielleicht hat es ja auch mit einer Liebesgeschichte zu tun, die Joachim Wintrich erzählt: „Im 15. Jahrhundert war es üblich, dass Reich und Reich unter sich blieben. Damals gab es im Ort die wohlhabende Bauerstochter Anne-Kathrin, die den ebenso gut betuchten Ohlichsmüllers Karl heiraten sollte. Zumindest wollten das deren Väter. Doch Ann-Kathrin war unsterblich in den armen Hirten Christian verliebt: Die beiden hatten sich unter der Wölferlinger ,Geschwornenlinde’ einander versprochen. Um den Bauern Karl nicht heiraten zu müssen, nahm Ann-Kathrin am Tag des Glockengusses 1000 Silberstücke und warf sie in die glühend heiße Form. Nun war auch sie arm und konnte ihren geliebten Hirten Christian heiraten.“



Dieser Liebestat verdankt die Glocke nicht nur ihr langes Leben, sondern auch ihren besonders silbrig-schimmernden Klang, heißt es.

Ob aus Liebe, Zufall oder dank spätmittelalterlicher Wertarbeit: Die Glocke mit der Aufschrift „Gegrüßet seist Du Maria, voll der Gnade, der Herr sei mit Dir“ läutet noch immer. Tag für Tag kündigt sie um 18 Uhr den Feierabend an, ruft die Gläubigen sonntags in die Kirche und erklingt, wenn die Gemeinde das Vaterunser spricht. Und damit auch weniger mutige Menschen die alte Glocke zu Gesicht bekommen, wird künftig eine verkleinerte Tonnachbildung im Eingangsbereich der Wölferlinger Kirche zu sehen sein. (bon)

Am 11. Juni wollen die Kirchen- und die Ortsgemeinde Wölferlingen die alte Glocke feiern und das Glockenmodell der Öffentlichkeit präsentieren. Der Feiertag beginnt um 10 Uhr mit einem Festgottesdienst, den der Gemischte Chor Freilingen 2000 musikalisch gestaltet. Danach wird das Glaspodest für das Glockenmodell eingeweiht, und nach einem Mittagessen in der Mehrzweckhalle erleben die Besucher um 14 Uhr eine Aufführung des Theaterstücks „Die Dorfglocke“. Der Tag endet mit einem gemütlichen Beisammensein mit Kaffee und Kuchen.


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